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Leseprobe Feuerroter Wandel

Ein Buch über Wandeljahre, Schwellen und Übergänge kann ich nur anhand meines eigenen Erlebens schreiben, wobei ich es anreichern möchte mit den Geschichten von Müttern, Schwägerinnen und Freundinnen, mit denen ich mich austausche.

Für die Zeit ab Vierzig, für die so genannten Wechseljahre, hatte ich mich lange nicht interessiert. An meiner Mutter gingen sie scheinbar spurlos vorbei, sie erwähnte jedenfalls nie etwas darüber. Umso erstaunter war ich, als ich in einem medizinischen Lexikon unter dem Begriff Klimakterium nachschlug. Da stand doch tatsächlich, dass die Zeit der Wechseljahre ca. sechs Jahre vor der letzten Blutung – Menopause – und ca. sechs Jahre nach der letzten Blutung dauert, also insgesamt zwölf Jahre. Das fand ich ziemlich übertrieben. Zwölf lange Jahre, das war ja nicht auszuhalten. Doch die medizinischen Fakten waren unerbittlich, schwarz auf weiß standen sie vor mir. Angenommen, meine so genannte Menopause habe ich mit Fünfzig, dann trete ich also mit 44 Jahren in die Wechseljahre ein und mit 56 Jahren komme ich wieder hervor. Das war mir zu lange.

Sollte ich also von jetzt ab jedes Unwohlsein, ein jegliches Symptom, ein gelegentliches Müdesein oder mein hohes Schlafbedürfnis von mindestens acht Stunden im Rahmen der Wechseljahre sehen? Also Symptome einer »Krankheit«, denen man mit passenden Medikamenten aus der Schulmedizin oder doch zumindest aus der Pflanzenwelt zu Leibe rücken sollte?

Benötige ich für ein frischeres Aussehen, gegen Haarausfall und drohenden Knochenschwund künstliche Hormone? Oder geht es vielmehr darum, einer geldgierigen Pharmaindustrie und Frauenärzten ihre Pfründe zu vermehren?

Ich bin überzeugt, einmal beim Frauenarzt erwähnt, dass ich nachts manchmal schwitze, schon habe ich ein Rezept in der Hand, weil ein Symptom auf jeden Fall eliminiert werden muss. Leider denken auch viele Altersgenossinnen in derselben Art und Weise und bereichern mit ihrer Einstellung eine ganze Branche.

Nach all den Informationen über das Klimakterium, erscheint vieles in einem völlig anderen Licht, im Licht einer Krankheit, die es zu bekämpfen gilt. Bisher lebte ich harmlos und gesund vor mich hin und nun bin ich offenbar fest im Griff von etwas, das Symptome erzeugt, die ausgemerzt werden müssen.

Wechseljahre sind Umbruchsjahre genauso wie die Pubertät. In der Pubertät verliert man unwiderruflich die Kindheit, in den Wechseljahren die körperliche Fruchtbarkeit. Die geistig-seelische Fruchtbarkeit jedoch bleibt, ja sie hat jetzt alle Möglichkeit zu wachsen.

Für Pubertierende gibt es bisher noch keine Medikamente, weil die Gesellschaft die Pubertät noch als normal ansieht. Ich sage bewusst »noch«, weil vielleicht die ersten Mittelchen schon erprobt werden, die beim einen oder anderen Jugendlichen von Vorteil wären. Die Pubertät gehört zum Erwachsenwerden, sie wird durchlebt mit Höhen und Tiefen und danach winkt die lang ersehnte Erwachsenen-Freiheit.

Ganz anders die Wechseljahre. Die sind unerwünscht, denn danach lockt nichts mehr – es lauert das Altwerden. Also müssen sie unterdrückt und bekämpft werden, sodass keiner etwas merkt. Auch wenn wir die Symptome beseitigen, den Kopf in den Sand stecken, so tun, wie wenn nichts wäre, das Leben und die Jahre schreiten voran.

Nichts ist peinlicher als Frauen und Männer, die um jeden Preis einer nicht mehr vorhandenen Jugend nachjagen. Die beim Schönheitschirurgen ihre Gesichtszüge verfremden lassen, in Masken, die nicht mehr sie selbst sind. Diese Menschen gewinnen nichts, sie werden nie wissen, wie sie wirklich aussehen würden, wie sich ihr eigenes Wesen in ihrem Gesicht über die Jahre ausprägen würde.

Von dieser Angst vor dem Alt- und Älterwerden der Menschen leben mächtige Konzerne, Firmen, ganze Industriezweige. Vor allem bei Menschen in den westlichen Ländern ist sie verbreitet. Ist das Alter, sind die Ältesten in einer Kultur geehrt, wie zum Beispiel bei den Naturvölkern, fällt es keinem ein, irgendetwas zu tun, um nicht alt zu werden. Im Gegenteil, je älter jemand ist, desto höher ist er geachtet, desto mehr Macht und Ansehen genießt er im Ältestenrat. Man stelle sich geliftete, faltenfreie, mimiklose Einheitsgesichter im Rat der Alten vor, denen würden wir doch nichts glauben, was sollten die schon vom Leben wissen und welche Ratschläge könnten sie erteilen?

Weisheit und Lebenserfahrung drücken sich immer auch in Falten und Runzeln aus. Viele Menschen streben nach Weisheit und Erleuchtung, doch die hat man meist erst nach einer bestimmten gelebten Lebenszeit. Das sind die Perlen, der innere Reichtum, der wirklich zählt. Nur der Würdige findet diesen Schatz und das ist bestimmt kein Faltenloser.

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